3 chinesische Tech-Giganten, die massiv in KI investieren

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Im Juli 2017 legte der Staatsrat der Volksrepublik China einen umfassenden Plan zur Entwicklung von Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) vor. Darin verankert ist das Ziel des Landes, bis 2030 die Vorherrschaft im Bereich der KI zu übernehmen. Die chinesische KI-Industrie soll bis dahin einen Wert von 150 Milliarden US-Dollar erreicht haben. Ein erstaunlicher Aufstieg eines Landes, das sich nach der wirtschaftlichen Öffnung in den 1980er Jahren mit zweistelligen Wirtschaftswachstumsraten zur Werkbank der Welt entwickelte. Das Reich der Mitte ist aber längst mehr als das: Mit seinen Tech-Konzernen Baidu, Alibaba und Tencent (oft mit BAT abgekürzt) ist es zu einer digitalen Marktmacht aufgestiegen, die an Innovationen und Tempo kaum zu überbieten ist und als einzige dem Silicon Valley die Stirn bieten kann. Bemerkenswert ist dabei, dass sich diese Entwicklung in einer autoritären Diktatur mit Internetzensur und mangelndem Schutz an geistigem Eigentum vollzieht – dafür aber mit starker Abschottung nach außen.

Nachfolgend möchten wir euch die drei chinesischen Tech-Giganten Baidu, Alibaba und Tencent vorstellen. Sie haben vier Dinge gemeinsam:

  • Aufgrund von Chinas Abschottungspolitik konnten sie zu Monopolen im Land heranwachsen.
  • Alle drei Unternehmen starteten einst als Kopien US-amerikanischer Unternehmen – unterscheiden sich aber heute erheblich von den einstigen Vorbildern.
  • Sie sind börsennotierte Unternehmen.
  • Sie fördern massiv Forschung und Investitionen im Bereich der KI und werden von der chinesischen Regierung unterstützt.


1.) Baidu

Im Januar 2000 von Robin Li gegründet, entwickelte die Suchmaschine Baidu schnell die besseren Algorithmen für chinesische Suchanfragen als die (ehemaligen) Konkurrenten Yahoo und Google. Als Google sich im Jahr 2010 vom chinesischen Markt zurückzog, wurde Baidu quasi konkurrenzlos und hat heute mit einem Marktanteil von 80 Prozent eine Monopolstellung im Land inne. Die Zahl von Chinas Internetnutzern lag Ende 2016 bei unglaublichen 731 Millionen. Zum Vergleich: Diese Zahl ist mehr als doppelt so groß wie die Einwohnerzahl der USA und stellt damit ein gigantisches Datenset dar, das Baidus KI-Algorithmen permanent füttert und verbessert.

Um das Thema KI voranzubringen, rekrutiert der Suchmaschinengigant die klügsten Köpfe in diesem Bereich. Im Januar 2017 machte Baidu einen der weltweit bekanntesten KI-Pioniere, Lu Qi, zum COO. Auch wenn Qi diese Position nur 18 Monate innehatte, war er an der Entwicklung einer klaren KI-Strategie des Unternehmens beteiligt. Ein weiterer großer Vordenker im Bereich der KI ist Andrew Ng, der von Mai 2014 bis April 2017 als Chief Scientist bei Baidu tätig war.

Gegenwärtig setzt das Unternehmen auf folgende Themen im Bereich KI:


Baidus Sprachassistent DuerOS

Aufgrund seines immensen Datensets hat Baidus Sprachassistenten DuerOS mehr konversationsbasierte Fähigkeiten erlernt als Alexa, Siri oder Cortana. Zusätzlich erhofft sich Baidu durch die Zusammenarbeit mit anderen Technologieunternehmen Innovationen zu beschleunigen. Der Suchmaschinenriese hat sich mit mehr als 130 DuerOS-Partnern zusammengeschlossen und der Sprachassistent ist in mehr als 100 Marken von Geräten wie Kühlschränken, Fernsehern und Lautsprechern integriert. Da Häuser in Indien, Japan, Europa und Brasilien vom Ausmaß eher denen in China entsprechen, stehen die Chancen zur globalen Verbreitung für DuerOS besser als die von Alexa, Cortana und Echo, die eher für große amerikanische Haushalte optimiert sind. Auf der Consumer Electronics Show (CES) 2018 präsentierte Baidu seinen DuerOS-basierten Smart Screen Little Fish VS1. Diese Technologie kann individuelle Gesichter erkennen und darauf reagieren.


Mobile Partner zur Beschleunigung von KI-gestützten Geräten

Derzeit arbeitet Baidu gemeinsam mit Huawei an der Entwicklung einer offenen mobilen KI-Plattform zur Unterstützung der Entwicklung von KI-basierten Smartphones. Mit Qualcomm als Partner und dessen Snapdragon Mobile Platform arbeitet Baidu an der Optimierung seines DuerOS für IoT-Geräte und Smartphones.


Selbstfahrende Autos

Auch wenn automatisiertes Fahren in China derzeit rechtswidrig ist, arbeitet Baidu an der Technologie des autonomen Fahrens. Durch das Programm Apollo stellt Baidu seine KI den Automobilherstellern kostenlos zur Verfügung. Im Gegenzug erhält Baidu Zugriff auf deren Daten, um seine Algorithmen noch intelligenter zu machen.


2.) Alibaba

Der Handelsriese Alibaba wurde im Jahr 1999 von Jack Ma als Kopie von Amazon gegründet und ist heute das größte Internetunternehmen in China. Ma ist ausgebildeter Englischlehrer, der zweimal durch die Universitätszugangsprüfung fiel und zwei Anläufe benötigte, um sein Unternehmen zu gründen. Heute ist er der reichste Mann Asiens und wurde vom Fortune Magazin zu einer der wichtigsten Führungspersönlichkeiten 2017 ernannt.  

Alibaba konzentriert sich aktuell auf folgende Themen im Bereich KI:


Sprachassistenten, Chatbots, Roboter und KI-Startups

Neben seinem auf KI-basierenden Sprachassistenten Tmall Genie, hat Alibaba einen einen KI-basierten Chatbot namens AliMe entwickelt. Dieser ist in der Lage mehr als 90 Prozent der Kundenanfragen zu verstehen und bedient täglich mehr als 3,5 Millionen Nutzer. Die neueste Version des Chatbots kann sogar die Emotionen von Nutzern interpretieren.

Auch im Bereich Logistik spielt Alibaba ganz weit vorne mit. In seinen automatisierten Lagern verpacken und versenden mehr als 200 Roboter täglich eine Million Sendungen. Darüber hinaus liefert der Handelsriese einige Lieferungen mit Drohnen aus.

Alibaba verzeichnet die höchsten Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung in China. Mit SenseTime hat das Unternehmen in ein KI-Startup investiert, das sich auf Gesichtserkennungstechnologien spezialisiert und ein KI-Labor in Hongkong eröffnet hat.


City Brain: KI-Kontrolle für Städte

Mit dem Projekt City Brain will Alibaba Städten helfen, ihre öffentlichen Ressourcen mit KI zu optimieren. City Brain verwendet ein Cloud-basiertes System, in dem Echtzeit-Daten über eine Stadt gespeichert und durch KI-Algorithmen verarbeitet werden. City Brain läuft bereits erfolgreich im chinesischen Hangzhou, wo es Staus um 15 Prozent reduzieren konnte. Demnächst soll das Projekt auch in Kuala Lumpur zum Einsatz kommen.


3.) Tencent

Der dritte große Player in Chinas Internetökonomie ist Tencent. Das Technologie-Unternehmen gehört mittlerweile zu den wertvollsten Unternehmen in China und wurde im November 1998 von Ma Huateng gegründet. Der studierte Informatiker kam 1998 erstmals mit dem Messenger ICQ in Berührung, der damals führend auf dem Chatmarkt war und zum US-Konzern AOL gehörte. Als er realisiert hatte, dass es keine chinesische Version des Dienstes gab, programmierte er diese kurzerhand selbst und läutete damit die Geburtsstunde von Tencent ein. Neben dem Messengerdienst QQ mit 861 Millionen aktiven Nutzer (Stand erstes Quartal 2017), entwickelte Huateng 2005 Chinas größtes soziales Netzwerk Qzone und 2011 eine zweite App zum Verschicken von Nachrichten namens Weixin/WeChat. Aktuell weist die App, die zugleich ein soziales Netzwerk und ein Bezahldienst ist, etwa 1 Milliarde Nutzer auf.


Tencents KI-Labore

Im Jahr 2016 eröffnete Tencent ein KI-Labor in Shenzhen mit 50 Forschern und mehr als 200 Ingenieuren aus China und den USA. Die Vision dahinter: „Make AI everywhere“. Das soll durch Forschungen im Bereich maschinelles Lernen, Spracherkennung, natürliche Sprachverarbeitung und Computer Vision geschehen. Daneben setzt das KI-Labor den Schwerpunkt auf die Entwicklung praktischer KI-Anwendungen für Unternehmen in den Bereichen Content, Online-Spiele, Social und Cloud Services. Darüber hinaus hat Tencent ein Labor in Bellevue, Washington eröffnet, das sich auf die Verarbeitung natürlicher Sprache und Spracherkennungssoftware konzentriert.

Tencent’s YouTu Lab ist führend im Bereich des maschinellen Lernens. Es setzt innovative Technologien in der Bild-, Gesichts- und Audioanalyse ein und integriert KI-Technologie in Cloud-Dienste und intelligente Hardware, um das Surferlebnis im Internet zu verbessern.


Investionen in KI-Startups

Genau wie die beiden anderen großen Player, investiert auch Tencent in KI-Startups. Dazu zählt das Robotik-Startup UBTech, das sich auf die Entwicklung von humanoiden Robotern konzentriert. Der wohl bekannteste Roboter von UBTech ist Walker, ein zweibeiniger Roboter, der auf der CES 2018 vorgestellt wurde. In Zusammenarbeit mit mehreren Industrieunternehmen, darunter der Beijing Automotive Group (BAIC), investiert Tencent in die Entwicklung von KI-Technologien für autonom fahrende Fahrzeuge.

Fokus auf KI in der Medizin

KI im Gesundheitswesen ist einer der wichtigsten Prioritäten für Tencent.  Mehr als 38.000 medizinische Einrichtungen verfügen über bereits über ein WeChat-Konto, und 60% dieser Einrichtungen ermöglichen es Patienten, über die App Termine zu buchen. Zudem gibt es etwa 2.000 Krankenhäuser, die WeChat-Zahlungen akzeptieren. Diese Dienste ermöglichen es Tencent, wertvolle Verbraucherdaten zu sammeln, die beim Training von KI-Algorithmen helfen. In einer kürzlich abgeschlossenen Partnerschaft mit Babylon Health haben WeChat-Anwender Zugang zu einem virtuellen Gesundheitsassistenten. 2017 startete Tencent seine Miying Gesundheits-KI-Plattform. Diese unterstützt Mediziner bei der Diagnose verschiedener Arten von Krebserkrankungen und bei der Analyse und Verwaltung von Gesundheitsakten.


Unser Fazit:

China hat in den letzten Jahrzehnten eine rasante wirtschaftliche Entwicklung hingelegt. Das Tempo mit dem die chinesischen Tech-Konzerne ihre Forschungen, Entwicklungen und Innovationen für die riesige Anzahl an Internetnutzern im Land vorantreiben, ist schwindelerregend. Das Silicon Valley muss sich anstrengen, um Schritt halten zu können. Es bleibt spannend, zu sehen, welche Innovationen die chinesischen Tech-Konzerne in den nächsten Jahren auf den Markt bringen werden. Genauso spannend wie der Kampf der beiden Giganten China und USA um die internationale Vorherrschaft im Bereich KI.




Quellen:

ir.baidu.com/phoenix.zhtml?c=188488&p=irol-homeprofile
www.linkedin.com/in/andrewyng/?locale=de_DE
www.cnbc.com/2018/05/18/qi-lu-steps-down-as-baidu-coo-previously-exec-at-microsoft.html
www.ft.com/content/9415ba1a-8e59-11e8-bb8f-a6a2f7bca546
www.heise.de/newsticker/meldung/China-kuendigt-Offenheit-und-Zusammenarbeit-bei-kuenstlicher-Intelligenz-an-4180524.html
www.wired.com/story/how-baidu-will-win-chinas-ai-raceand-maybe-the-worlds/
www.forbes.com/sites/bernardmarr/2018/07/23/the-amazing-ways-chinese-tech-giant-alibaba-uses-artificial-intelligence-and-machine-learning/#1db580ab117a
medium.com/@alitech_2017/better-e-commerce-customer-service-from-alime-to-you-656e34934f66
techcrunch.com/2018/01/29/malaysia-alibaba-city-brain/
www.alibabacloud.com/de/et/city
www.forbes.com/sites/bernardmarr/2018/06/04/artificial-intelligence-ai-in-china-the-amazing-ways-tencent-is-driving-its-adoption/#60c43a73479a
medium.com/@pandaily/tencent-ai-lab-and-nature-research-jointly-promote-interdisciplinary-r-d-for-ai-in-medicine-8eb1fd673d30
www.tencent.com/en-us/system.html
Titelbild: DALLE 2

Kathleen

Kathleen Jaedtke ist Autorin und Sprecherin. Die Diplom-Volkswirtin beschäftigt sich seit sieben Jahren mit Suchmaschinenoptimierung und Content-Marketing. In ihrer letzten Tätigkeit hat sie die Content-Marketing-Aktivitäten für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei einem führenden europäischen E-Commerce Konzern geleitet und mehrere internationale SEO-Teams erfolgreich aufgebaut. Neben der inhaltlichen Optimierung faszinieren sie neue Technologien und künstliche Intelligenz. Aktuell beschäftigt sie sich intensiv mit dem Bereich der Sprachsuche und deren Einfluss auf das SEO von Morgen.

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