Ist der Hype um Smart-Speaker vorbei?

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Von Baidu bis Samsung: Im Jahr 2017 launchte fast jedes große Tech-Unternehmen intelligente Assistenten für den Hausgebrauch. Dieses Jahr brachten lediglich die Nachzügler Apple und Telekom einen Smart-Speaker auf den Markt. Zeit sich zu fragen, ob Google Home und Co. nur ein vorübergehender Trend sind. Wir haben uns aktuelle Statistiken und Argumente von Skeptikern angesehen.

Im vergangenen Jahr konnten wir eine explosionsartige Verbreitung neuer Features und Geräte beobachten. Samsung, Google, Baidu oder Alibaba enterten den Markt der sprachgesteuerten Haus-Assistenten. Einige Unternehmen wie Amazon, Pinterest oder Google integrierten außerdem visuelle Funktionen in die intelligenten Alltagshelfer. Jeder wollte sich ein Stück vom Kuchen sichern und pushte die Verkäufe mit entsprechenden Marketingmaßnahmen.


Das exponentielle Wachstum des Home-Speaker Marktes

Die Verkaufszahlen schnellten entsprechend in die Höhe. Wurden im Jahr 2016 noch 6 Millionen Smart-Speaker in den USA verkauft, waren es 2017 bereits 39 Millionen (NPR und Edison Research). Für 2018 wurde das zu erwartende Verkaufsvolumen auf 56 Millionen intelligente Lautsprecher geschätzt.

Zeitstrahl aller eingeführten Sprach- und visueller Assistenten 2017 und 2018

Das Marktforschungsunternehmen Canalys verglich im August diesen Jahres die Verkaufszahlen vom zweiten Quartal 2017 mit den Daten des zweiten Quartals 2018. Die Erhebung bestätigte, dass der Markt in diesem Zeitraum um 187 Prozent gewachsen war. Ein klarer Beleg dafür, dass die exponentielle Verbreitung der sprachgesteuerten Assistenten nach wie vor in vollem Gange ist.


Der Kampf um die Spitze

Amazons Echo führte bis vor kurzem die Verkaufsstatistiken in den USA ungeschlagen an. Fast 60 Prozent der Prime Nutzer holten Alexa bisher in ihre vier Wände (Business Insider). Um sicherzustellen, dass ihre Stimme durch immer mehr Häuser schallt, kooperiert Amazon mit namhaften Herstellern von Unterhaltungselektronik wie Bose oder Sonos. Es dürfte lediglich eine Frage der Zeit sein, bis unsere Kühlschränke und Waschmaschinen mit Alexa verbunden sind. Google ist dem Tech-Riesen aus Seattle auf den Fersen. Die Verkäufe von Home-Speakern zogen innerhalb eines Jahres um unglaubliche 450% an. So gelang es dem Unternehmen im zweiten Quartal 2018 erstmals mehr Geräte zu verkaufen als Amazon.


Asien & Amerika sind begeistert, Deutschland hat Angst

Zu den größten Abnehmern gehören bis heute China und die Vereinigten Staaten. In Deutschland kommt das Geschäft langsamer in die Gänge. Ein Grund dafür ist die Sorge vieler Konsumenten, sie könnten durch Alexa, Siri und Co. ausspioniert werden. Diesen Zweifel versucht nun die Telekom aus dem Weg zu räumen. Erst kürzlich stellte das deutsche Unternehmen einen eigenen Smartspeaker auf der IFA vor. Magenta berücksichtigt deutsche Datenschutzgesetze und hat dadurch gute Chancen pünktlich zum Weihnachtsgeschäft die deutschen Wohnzimmer zu erobern.


Stehen wir vor einem #Voicefirst Winter?

Das Misstrauen der Deutschen spiegelt sich auch in einer Untersuchung von Patrick Zimmermann, Florian Weigang (beide Mitarbeiter des Unternehmens Xing) und Johann von Hülsen (Blogger) wieder. Die drei Marketing und Conversational Commerce Experten untersuchten, ob die Deutschen die Sprachsuche via Google Assistant benutzen und wie. Das Ergebnis: Von einer Million deutschsprachiger Suchanfragen (Ok Google…) waren 20.000 inhaltliche Fragestellungen. Der Rest der sprachgesteuerten Befehle reflektierte Handlungen wie das Stellen des Weckers oder das öffnen von Anwendungen. Das Fazit der Autoren: Die Sprachsuche wird via Google Assistant nicht oder nur wenig genutzt.

Auch renommierte Knowledge Leader wie Brian Roemmele sehen die beginnende Revolution durch Sprachtechnologien in Gefahr. Der Experte aus den USA baute bereits in den 80er Jahren sprachgesteuerte Computer und verfasste zur selben Zeit ein #Voicefirst Manifest. In seinen Ausführungen nennt er fünf Faktoren, welche den Erfolg innovativer Technologien verhindern oder einschränken können. Laut Roemmele treffen alle fünf Theorien auf die aktuelle Situation zu. 

  1. Das Gesetz des Instruments/ Maslows Hammer beschreibt ein Phänomen, bei dem Menschen dazu neigen ein altes, bekanntes Werkzeug zu nutzen, obwohl ein anderes, neues besser funktioniert. 
  2. Das Pro-Innovation Bias beschreibt den Glauben, dass eine Innovation von allen angenommen und benutzt werden sollte. Schwächen oder Limitierungen werden dabei ignoriert. 
  3. Der Semmelweis-Reflex beschreibt die reflexhafte Ablehnung einer Innovation durch die wissenschaftliche Elite, sowie die Bekämpfung des Urhebers. Der Begriff geht zurück auf den ungarischen Geburtshelfer Ignaz Semmelweis, der sich im 19. Jhdt. für mehr Hygiene in Krankenhäusern einsetzte und auf Ablehnung stieß. 
  4. Das Status Quo Bias beschreibt unsere Vorliebe für das Vertraute. Der aktuelle Status wird als Ideal angesehen und jede Veränderung gilt als Verschlechterung. 
  5. Parkinsons Gesetz der Trivialität beschreibt, das Organisationen wesentlich mehr Zeit für einfache Aufgaben verwenden als für komplexe. Wenn Entscheider in einem Meeting z.B. über Innovationen diskutieren, kann es passieren, dass sie Sprachtechnologien nur kurz anreißen, aber die neuen Parkplätze für Fahrräder intensiv besprechen. Ursache ist laut Parkinson, dass die Verantwortlichen die Hintergründe nicht verstehen oder nicht in der Lage sind Risiken zu kommunizieren. Unwissenheit oder Angst vor Fehlern können daher die Implementierung von neuen Technologien verhindern.

 „Ich glaube, es ist verlockend, wenn das einzige Werkzeug, das man hat, ein Hammer ist, alles zu behandeln, als ob es ein Nagel wäre.“ (Abraham Maslow)


(Künstliche) Intelligenz ist sexy

Unabhängig von den bestehenden Zweifeln und parallel zur Verbreitung der Geräte macht die Technologie deutliche Fortschritte.

  • Google Assistant ist nun in der Lage, zwei Sprachen parallel zu verstehen. Eine Erleichterung für bilinguale Familien oder die Denglisch-Liebhaber.
  • Der Assistent verfügt nun außerdem über das neue Feature Duplex, welches mit menschlicher Stimme Termine beim Friseur bucht oder einen Tisch im Restaurant reserviert.
  • Alexa nutzt maschinelles Sehen um Zeichensprache zu interpretieren, die Gesten zu übersetzen und laut auszusprechen.

Diese neuen Fähigkeiten wachsen den Nutzern offensichtlich ans Herz: Jeden Monat sagen eine Millionen Menschen weltweit “Ich liebe dich” zu ihrem Google Assistant (Thinkwithgoogle.com).


Unser Fazit

Glaubt man den Statistiken, sind die Tech-Giganten und ihre wachsende Kundenschar vom Nutzen der Sprachtechnologie überzeugt. Auf Unternehmensseite besteht außerdem ein hohes Interesse an den wachsenden Datenmengen, die während der Nutzung von smarten Alltagshelfern generiert werden. Spätestens durch den verstärkten Einsatz maschinellen Lernens sind Daten zu Gold geworden. Dieser Wert wird den Siegeszug von Siri, Magenta und Co. vorantreiben und dafür sorgen, dass wir künftig verstärkt mit unserer Umgebung sprechen werden. Navigation und die Bedienung von Nutzeroberflächen scheinen hierbei das höchste Potenzial zu haben. Vorausgesetzt, der Mehrwert für den Kunden steht bei der Entwicklung neuer Use Cases im Vordergrund. Auch die Ängste der Nutzer sollten berücksichtigt und aktuelle Schwächen und Limitierungen identifiziert und behoben werden. Nur dann kann die Offenheit wachsen und die Nutzung von sprachgesteuerten Innovationen zunehmen, vielleicht sogar für die Sprachsuche.






Quellen:

musically.com/2018/08/06/smart-speaker-sales-forecasts-market-share-amazon-google-apple/
canalys.com/newsroom/global-smart-speaker-shipments-grew-187-year-on-year-in-q2-2018-with-china-the-fastest-growing-market
voicebot.ai/2018/08/24/this-is-why-amazon-echo-smart-speaker-sales-are-slowing-60-of-prime-members-own-one/
thinkwithgoogle.com/marketing-resources/brand-building-age-of-assistance/
www.wngmn.de/blog/seo/voice-search-grosser-trend-den-keiner-nutzt/ Wikipedia Twitter Bild: DALLE 2


Tina

Tina Nord ist Marketing-Expertin, Autorin und Sprecherin. Die Kommunikationswirtin beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit Content Marketing. Seit 2016 erforscht Tina den Einfluss maschinellen Lernens auf Content und engagiert sich für die Repräsentation und Beteiligung von Frauen an der Entwicklung von KI.

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